Die meisten afrikanischen Länder haben in den letzten 16 Jahren ein robustes Wirtschaftswachstum mit Wachstumsraten von oft über 5% pro Jahr erlebt. Dies weckte großen Optimismus in den Aussichten für die Region, Armut und Rückständigkeit endlich loszuwerden.
Allerdings sind die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit weniger günstig und das Wachstum verlangsamt sich, insbesondere in den Öl- und Mineralexportländern. Insgesamt dürfte sich das Gesamtwachstum fortsetzen, wenn auch in geringerem Tempo. In diesem sich wandelnden Klima ist es wichtig, die Wachstumstreiber zu betrachten, um festzustellen, welche dieser Kräfte das Wachstum unterstützen können.
Heutiger Stand der Dinge
Der erste Staatsbesuch des nigerianischen Ex-Präsidenten Goodluck Jonathan in Südafrika wurde zu einem Symbol des allgemeinen Optimismus in Afrika. Der damalige südafrikanische Präsident Jacob Zuma kündigte beim Weltwirtschaftsforum “Afrika” einen Verzicht auf Konkurrenz an und lobte die wachsende Zusammenarbeit zwischen den größten Volkswirtschaften des Kontinents. Gleichzeitig bezweifeln viele noch immer, dass die traditionelle Rivalität zwischen den beiden mächtigsten afrikanischen Staaten beendet ist.
Der Optimismus für die Zukunft dieses Kontinents ist enorm. Afrika befindet sich in den nächsten 20 Jahren möglicherweise auf einem konkurrenzlosen Wachstumspfad.
Neues Ziel – 6% Wachstum
Tatsächlich fällt die Analyse der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ungewöhnlich positiv aus. Die Wachstumsraten in Afrika liegen seit einem Jahrzehnt über dem Weltdurchschnitt. Afrika könnte laut dem jüngsten IWF-Bericht bald sogar Indien und China als Wachstumsmotoren des globalen Wirtschaftswachstums ablösen.
In den Jahren 2014 und 2015 wurde ein Wachstum der afrikanischen Wirtschaft um mehr als sechs Prozent erwartet. Trotz des Booms gehören viele afrikanische Länder zu den ärmsten der Welt. Im Jahr 2010 lebte laut Weltbank noch fast die Hälfte der Afrikaner von weniger als 1,25 Dollar pro Tag – gegenüber 58 Prozent im Jahr 1990.
Zunächst einmal träumen sich schnell entwickelnde Länder wie Mosambik, Nigeria, Äthiopien, Angola, Ghana oder Ruanda von “Löwenstaaten”, die wie die asiatischen “Tigerstaaten” einst einen gewaltigen Entwicklungssprung gemacht haben. Der Anstieg der Direktinvestitionen gilt als wichtiger Indikator. Im Jahr 2012 betrug die Gesamtsumme etwa 38 Milliarden US-Dollar. 2015 waren es bereits 54 Milliarden Dollar. Allerdings beträgt der Anteil Afrikas an den weltweiten Auslandsinvestitionen bisher nur etwa 6 Prozent.
Ein guter Indikator ist eine wachsende Mittelschicht
Die wachsende Mittelschicht gibt den Afrikanern besondere Hoffnung. Allerdings gibt es unterschiedliche Standpunkte. Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) zählt bereits 322 Millionen Mittelschichtsleute von schätzungsweise einer Milliarde Afrikanern.
Allerdings sind solche Indikatoren für Experten nicht besonders ermutigend. AfDB umfasst einfach alle Menschen, die zwischen 2 und 20 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Die überwiegende Mehrheit dieser “neuen Mittelschicht” hat weniger als 4 Dollar pro Tag, was nicht sehr positiv ist.
Angst vor sozialen Spannungen
Tatsächlich können wir in Afrika von 120 Millionen Menschen sprechen, die nach Konsumgewohnheiten und sozialer Schicht der Mittelschicht zuzuordnen sind. Dies würde viel besser erklären, warum die Angst vor sozialen Spannungen zunimmt.
Der Afrika-Boom ist riskant. Die starke Abhängigkeit vom Export von Rohstoffen (Gold, Öl, Titan, Uran, seltene Erden und Kakao) droht bei einem Preisverfall die Entwicklung zu bremsen. Insbesondere die zunehmende Unabhängigkeit der USA vom Öl wird die Ölexporteure Angola und Nigeria vor ernsthafte Probleme stellen.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Aufgrund der Bevölkerungsexplosion steigt die Jugendarbeitslosigkeit trotz des Wirtschaftswachstums. Selbst in den Entwicklungsländern Südafrikas, wo die offizielle Arbeitslosenquote bei 25 Prozent liegt, ist immer noch jeder zweite junge Mensch arbeitslos.
Darüber hinaus demonstrieren Terroranschläge in Nigeria, Kenia und Somalia eine fragile politische Stabilität auf dem Kontinent. Korruption und Misswirtschaft nehmen weiter zu. Die Hilfsorganisation Oxfam befürchtet, dass jährlich schätzungsweise 200 Milliarden Dollar illegal Afrika verlassen und damit die Mittel für die Entwicklung des Kontinents fehlen.
Das Verfahren für einen Neustart ist noch nicht festgelegt
Ungleiche Wirtschafts- und Handelsbeziehungen treiben weiterhin viele Menschen zur Migration und schüren politische und bewaffnete Konflikte in Afrika. Die EU wiederum soll verstehen, dass sie den Terrorismus in der Sahelzone noch nicht effektiv bekämpfen kann. Damit fehlt ein wichtiger Baustein zur Neuorientierung. Die EU verfügt derzeit über keinen vernünftigen Aktionsplan, um die Situation in diesen Staaten zu verbessern.
Gleichzeitig diskutierten beim ersten Africa Roundtable Vertreter aus Wirtschaft und Politik neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika. Experten forderten einen Kurswechsel mit Fokus auf Arbeitsplätze.
Das erklärte Ziel europäischer und afrikanischer Politiker ist heute “Partnerschaft auf Augenhöhe”. Die Pandemie hat Afrika und Europa hart getroffen, aber die Krise bietet auch neue Möglichkeiten. Der “konstruktive Dialog” zwischen den Staaten sollte sich darauf konzentrieren, welche Reformpakete jetzt geschnürt werden sollten, um eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft aufzubauen.